Was genau hat die EU mit mir zu tun und weshalb ist sie wichtig für mich? Diese und andere Fragen stellen sich unsere Schüler*innen aus der Oberstufe, wenn wir sie um ihre Meinung zur EU bitten. Um genau diese Fragen zu klären, war es uns eine Freude Dr. Mario Scharfbillig am 05. Februar direkt aus Brüssel bei uns begrüßen zu dürfen.
Dr. Scharfbillig arbeitet als Science Policy Advisor im Joint Research Centrum (JRC) der EU Kommission. Im Rahmen der Initiative „EU Back to School“ besuchte er unsere Schule und stellte der MSS 12 und den Sozialkunde Leistungskursen der MSS 11 die Europäische Union und speziell auch seine Rolle im JRC vor. Dies ist von besonderem Interesse, da durch das herabgesetzte Wahlalter auf 16 Jahre bei der anstehenden Europawahl im Juni 2024, die EU immer mehr in die Lebenswelt unserer Schüler*innen rückt.
Zunächst startete der Vortrag unter dem #BitburgLovesEU mit einer kurzen Befragung der Schüler*innen, wobei sie ihre bisherigen Erfahrungen und Wissen über die EU teilen konnten. Schnell wurde klar, dass der breiten Mehrheit nicht alle Instanzen der EU oder ihre Vorteile im Detail bekannt waren. Dr. Scharfbillig erklärte, dass es ihm als Schüler ähnlich ging und er nicht daran gedacht hätte, einmal bei der EU zu arbeiten.
Um deutlich zu machen, welche Möglichkeiten und Ziele die EU sowohl politisch als auch wirtschaftlich hat, stellte er zu Beginn kurz die verschiedenen Institutionen und ihren Sitz in Brüssel vor. Besonders mithilfe der aktuellen Beispiele wie dem Green Deal erklärte Dr. Scharfbillig anschaulich, welche Institution für welche Bereiche zuständig ist und wie eine neue Gesetzesvorlagen schlussendlich umgesetzt werden. Die Schüler*innen staunten nicht schlecht, als er davon berichtete, dass die EU sich sogar mit internationalen Konzernen wie z. B. Google anlegt und zu Geldstrafen verklagt, um Chancengleichheit im Wettbewerb zu garantieren. Errungenschaften der EU wie die Reisefreiheit, eine gemeinsame Währung und vor allem friedenssichernde Verträge wurden durch persönliche Erfahrungen und Anekdoten für die Zuhörer*innen verdeutlicht.
Doch Demokratie auf Ebene der EU bedeutet auch, dass 27 Mitgliedsstaaten sich auf gemeinsame Ziele und Gesetze verständigen müssen. Wie geht man mit diesen vielen Interessenkonflikten, politischen Weltansichten und Meinungen eigentlich um? Hat der Brexit die Zusammenarbeit in der EU verändert und vor welchen Problemen steht die EU aufgrund des Krieges in der Ukraine?
Dr. Scharfbillig ging auch auf diese Nachfragen unserer Schüler*innen ein und erklärt, das hier die Herausforderungen der EU liegen und dass auf verschiedenen Ebenen Kompromisse gefunden werden müssen, die allen Mitgliedsstaaten gerecht werden. Ob Außen- oder Innenpolitik, alle Staatschefs müssen sich untereinander koordinieren und abstimmen, ein zuweilen langwieriger Prozess. Er erklärte zudem, dass eben genau an diesen Punkten seine Forschungsarbeiten im JRC ansetzen. Er und seine Kolleg*innen beschäftigen sich mit der Demokratieentwicklung und Bürgerbeteiligung, um herauszuarbeiten, welche Maßnahmen die Demokratie stärken und wie sich die Bürger*innen besser in der Politik der EU beteiligen können. Sie verfolgen auch Ansätze wie die Wissenschaft im Allgemeinen mehr Anklang in der Politik finden kann, sodass politische Entscheidungen sich stärker anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse wie zum Klimawandel oder der Digitalisierung der Gesellschaft orientieren. Denn nur wenn politische Maßnahmen auf der besten verfügbaren Evidenz basieren, kann langfristig garantiert werden, dass Politik auch ihre eigenen Ziele erreicht.
Wissenschaft nicht nur im Dienste der Menschen, sondern mit spürbarem Mehrwert, dies ist für Dr. Scharfbillig essentiell. Er erzählte dem Publikum von seinem persönlichen Werdegang vom Abitur am Cusanus Gymnasium Wittlich über sein VWL-Studium in Trier und Bonn bis hin zu seinen verschiedenen Auslandaufenthalten unter anderem in den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kanada. Besonders interessant fanden die Schüler*innen, dass ihm erst durch die Promotion in Mainz klar wurde, dass er mit seiner wissenschaftlichen Arbeit eben was verändern und nicht nur um der Forschung willen arbeiten wollte. Im JRC sieht Dr. Scharfbillig die Möglichkeit, dass internationale Forschung für die Menschen nicht nur sichtbar, sondern auch umsetzbar und vorteilhaft genutzt werden kann. Für ihn ist dabei auch die interkulturelle Zusammenarbeit auf Basis einer gemeinsamen Wertegemeinschaft besonders spannend.
Um unsere Schüler*innen auch über zukünftige Jobs aufzuklären, stellte Dr. Scharfbillig die vielfältigen Möglichkeiten von sowohl Praktika in den Institutionen der EU als auch mögliche Arbeitsfelder vor. Da verschiedenste Experten in den unterschiedlichen Fachbereichen immer von Nöten sind, sind die Perspektiven schier endlos. Besonders die Bereiche Umweltwirtschaft, Verkehr oder Digitalisierung werden in Zukunft nachgefragt sein, um den Ansprüchen des neuen Wirtschaftens gerecht werden zu können.
Nachdem auch die letzte offene Frage geklärt und die Befragung vom Beginn erneut durchgeführt wurden, war klar, unsere Schüler*innen des St.-Willibrords wissen nun genauer über die EU, ihre Ziele und Errungenschaften Bescheid. Aber auch ihre Herausforderungen und aktuellen Konflikte sind ihnen jetzt bekannt. Dies gibt hoffentlich den entscheidenden Denkanstoß, welche Stellung die EU für jeden einzelnen von uns hat und wie wir uns bei der diesjährigen Europawahl entscheiden werden.
Dr. Scharfbillig erklärte, dass die Politik der EU zukunftsorientiert ist. Die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, bestimmen vor allem das alltägliche Leben unserer Schüler*innen und ihre Möglichkeiten in der Arbeitswelt in den kommenden Jahren. Deswegen ist es so wichtig, dass auch schon die jungen Menschen mit ihrer Stimme mitbestimmen, wohin die Entwicklung der EU gehen soll und welche Chance sie ihnen damit bieten kann. Denn die europäischen Werte wie die Wahrung der Menschenrechte, Freiheit und Frieden sind wichtiger denn je.
Wir bedanken uns ganz herzliche bei Dr. Mario Scharfbillig für seinen Besuch und die Einblicke in seine Arbeit!
Fotos: Carina Kesse und Philipp Kesse Text: Hanna Scharfbillig