Zeitzeugengespräch mit Ruth Melcer am St.-Willibrord-Gymnasium

„Aber ich mach’s“ – Zum Gedenken an die Opfer des Pogroms gegen Juden am 9. November 1938 nahm die Klasse 9b an einem Online-Gespräch mit der Zeitzeugin und Holcaustüberlebenden Ruth Melcer teil.

Text und Fotos: Iris Esseln

Verdrängen habe ihr das Überleben ermöglicht, aber Tage wie dieser, wo die Erinnerung wieder wach werde, die fielen ihr schwer. „Aber ich mach’s“, brachte es Frau Melcer auf den Punkt. Was sie macht, ist eine Stunde lang über ihre Kindheit, die Zeit in Auschwitz und ihr Leben danach zu sprechen. Während dieser Stunde hörten ihr 219 Schulklassen, insgesamt über 4.000 Schülerinnen und Schüler zu, u.a. in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Bayern. Die Jugendlichen hatten im Vorfeld die Gelegenheit gehabt, Frau Melcer Fragen zuzusenden, auf die sie dann während des Gesprächs ausführlich einging.

Ryta (später: Ruth) Melcer, geb. Cukierman, wurde 1935 im polnischen Tomaszów Mazowiecki, einer Kleinstadt nahe Lodz geboren. Sie war vier Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschierte, und neun Jahre alt, als sie die Befreiung im KZ Auschwitz erlebte. Ab 1942 wurde Ruth Melcers Familie in Ghettos und schließlich in einem Arbeitslager zur Arbeit gezwungen. Ihr sechsjähriger Bruder wurde zusammen mit anderen Kleinkindern ermordet. 1944 wurde die Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie überlebte, weil eine Blockälteste sie in ihrem Verschlag vor Josef Mengele und seinen menschenverachtenden medizinischen Experimenten versteckt hatte. Nach der Befreiung durch die Rote Armee kam Ruth Melcer erst in ein Kinderheim in Krakau; wie durch ein Wunder fand sie später sogar Mutter und Vater wieder. Erst spät habe sie angefangen über die Vergangenheit zu sprechen, empfinde es nun aber umso mehr als ihre Verpflichtung.

Am Ende gab Frau Melcer ihrer Freude darüber Ausdruck, dass so viele Jugendliche sich mit der Thematik beschäftigen und gegen Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus vorgingen und sich ihrer Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte bewusst seien.

Die Veranstaltung fand im Rahmen einer Kooperation der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., NS-Dokumentationszentrum München, Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München, sowie der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz statt.

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